Der Behindertenbeauftragte Jürgen Dusel fordert eine Abkehr vom Begriff „geistige Behinderung“. Den Ministern für Arbeit und Gesundheit gibt er Hausaufgaben.
Der Behindertenbeauftragte Jürgen Dusel fordert eine Abkehr vom Begriff „geistige Behinderung“.
Und was kommt danach? Wieder ein neuer Begriff, der dann von Arschlöchern als Beleidigung benutzt wird und deshalb wieder ausgetauscht werden muss.
Einfach irgendwelche Begriffe austauschen löst kein Problem, es versteckt es nur vorübergehend. Die Arschlöcher, die Leute diskriminieren und benachteiligen wollen, warten nur darauf, die neuen Begriffe auch als Beleidigung verwenden zu können. Was bekämpft werden muss, ist die Diskriminierung und Benachteiligung an sich. Aber es ist einfachr, stattdessen eine Sprachregelung zu ändern und sich für die gute Arbeit selbst auf die Schulter zu klopfen.
Gerade vor dem Hintergrund intellektueller Einschränkungen halte ich es außerdem für sehr fragwürdig, einfache Begriffe durch übermäßig komplizierte und verklausulierte Begriffe zu ersetzen. Fast schon ironisch finde ich, dass im gleichen Atemzug die Notwendikeit einfacher Sprache erwähnt wird.
Jürgen Dusel: Ja. Die wirklich überwiegende Anzahl der Menschen, die so genannt werden, empfinden diesen Begriff als stigmatisierend, abwertend und diskriminierend. Sie sagen: „Wir möchten nicht so genannt werden. Unseren Geist kann man nicht behindern.“
Und was sagen wir jetzt stattdessen?
Für die Teilhabeempfehlungen, die ich unter anderem dem Gesundheitsminister und dem Arbeitsminister übergebe, verwenden wir den Begriff „Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen“ – das entspricht der englischsprachigen UN-Behindertenrechtskonvention. Dieser Begriff ist auch nicht unproblematisch, weil es verschiedene Formen der Intelligenz gibt, zum Beispiel die emotionale oder soziale Intelligenz. Aber es ist ein Einstieg in die Debatte um einen neuen Begriff. […] Hängt die Abwertung, die Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen erfahren, nicht an viel mehr als einem Begriff?
In der Tat. Der medizinische Begriff von Behinderung wurde in den letzten Jahrzehnten von einem menschenrechtlichen abgelöst. Aber Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen werden immer noch viel zu oft als defizitäre Wesen betrachtet. Es wird viel zu viel über sie und nicht mit ihnen gesprochen.
Wie haben Sie diese Gruppe zu Wort kommen lassen?
Mein Job ist es, ein Bindeglied zwischen Bundesregierung und Zivilgesellschaft zu sein. Die Teilhabeempfehlungen sind ja nichts, was sich der Behindertenbeauftragte Dusel ausdenkt, sondern Teil eines Kommunikationsprozesses. Selbstvertretungsorganisationen wie „Mensch zuerst“ sind da unsere ersten Ansprechpartner. Ich ziehe persönlich so viel Energie aus diesen Begegnungen und sie zeigen mir, dass wir gut beraten sind, uns auf die Expertise dieser Menschen einzulassen. Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen haben eine ganze Menge zu sagen und können das auch sehr gut artikulieren, wenn sie die Zeit und die nötige Assistenz dafür haben.
Ich finde er geht auf genau diese Punkte ein. Im weiteren Verlauf gibt er auch Beispiele, wo die Teilhabe konkret verbessert werden muss, etwa Reform der Werkstätten für Menschen mit Behinderung, Zugang zu Hochschulen und die leichte Sprache bezieht sich im beispiel explizit auf den Arztbesuch. Das habe ich so verstanden, dass die Betroffenen durchaus verstehen was los ist, und selbstbestimmte Entscheidungen treffen können. Zumindest wenn Ärzte geschult werden und die Zeit haben, ordentlich zu erklären.
Als betroffene Person: Sprache ist schon ein wichtiger Teil der Inklusion. Ich mag es beispielsweise nicht wenn jemand über mich sagt “sie hat Autismus”, das klingt als hätte ich eine Krankheit die man behandeln kann. Ich bin autistisch, es ist ein Teil meiner selbst und keine Krankheit.
Der Begriff der “geistigen Behinderung” ist da eben auch ähnlich unpassend, es ist eben eine Einschränkung, behindernd ist da meist eher die Umwelt.
Dennoch ist Sprache bei weitem nicht das einzige was überarbeitet werden muss, da stimme ich dir zu.
Wenn man Probleme nicht lösen will, einfach ein neues Wort erfinden und den Betroffenen eintrichtern, dass der Grund des Problems diejenigen sind, die das alte Wort verwenden.
Interessant zu lesen vorallem wenn man wie ich kaum Ahnung von dem Thema hat.
Ein neuer Begriff wird nichts helfen, aber die Vorschläge bezüglich Behindertenwerkstätten sind vermutlich sinnvoll.