Heute möchte ich mich unserem alten Feind widmen - dem Tuschkasten oder - wie Frau Sander es uns einst einbläute - dem Deckfarbkasten.
Unvergessen jene Momente, als man bis zur Besinnungslosigkeit in diesen Farbnäpfen herum schrubben sollte, damit die Farbe schön schaumig würde.
Ich war 8 Jahre alt, aber mir war damals schon klar: ich möchte malen und kein Schaumbad nehmen!
Oh und wie ich es GELIEBT habe, wenn die in Ungeduld angerührte geringpigmentierte Wasserpampe in die eifrig klumpenden Fasern des Papiers lief!
Denn nein, man peinigte uns nicht nur mit dem Beelzebub des Kunstbedarfs, man gab uns direkt einen dämonischen Block minderwertiger Platt-Cellulose hinzu!
Wäre ich ein Baum, ich würde ich mich schämen, für so etwas gestorben zu sein!
Aber zurück zu der Deckfarbe.
Holen wir die Peiniger der Schulzeit wieder aus der Schublade.
Freude an der Kunst sollte er uns lehren!
Und was hat der Deckfarbkasten für uns getan? JA WAS???
Traumatisierte Schüler, die leise in ihren Malkittel weinen, weil Rot und Blau eben NICHT Lila ergeben, sondern einen Farbton, der an ermattete Stiefmütterchen erinnert.
Man gab uns Farbe, die sich im Angesicht einer zweiten Farbschicht weinerlich zurückzog.
DECKFARBE! TURNBEUTELVERGESSER DES KUNSTBEDARFS!!!
Da denkt man, der so teuer aus den Händen des gemeingefährlichen Schreibwarenhändler gerungene Farbkasten enthält ganz viel richtig krasse Farbe. MITNICHTEN! Vor allem Kreide wohnt in diesen Kästen. BUNTE KREIDE!
Zusammengekratzer Tafelstaub, mit Pigmenten versetzt! Damit ja in den heiligen Hallen der Schule nur Kreide verwendet werden möge! Man will ja nicht riskieren, dass sich durch das plötzliche Verwenden von ECHTER FARBE das Raumzeitkontinuum final kräuselt!
Und genau dieses alptraumschürende DING habe ich nun verwendet, um meinen Dachs zu malen.
Und was soll ich sagen? Es geht besser, als zu Schulzeiten.
Denn wer hat uns damals erklärt, was nach dem Schaumigrühren kommt?
Wie wir diese Farbe mit Allüren beherrschen können?
Niemand!
Aber echt ey, Schulsystem. IST DAS EUER ERNST? MUSS ICH ERST 10 JAHRE KUNSTERFAHRUNG SAMMELN, UM DEN MITTELMÄßIG HEILIGEN GRAL DER DECKFARBEN HALBWEGS ERGRÜNDEN ZU KÖNNEN?!?
Ich nutzte Techniken aus Aquarell- und Gouachemalerei. Aber vorsichtig. VORSICHTIG!!! Man könnte denken, die Farben würden in einer unbedacht in den Äther produzierten Soap Opera mitspielen! ODER MUSS MAN DIE ETWA DESWEGEN SCHAUMIG RÜHREN?!?!?
Und reden wir über das verbotene Ding, den Apfel im Paradies des Farbkastens: Deckweiß!
Ich habe ihn gekostet. Rein metaphorisch natürlich!
Den Namen hat diese Farb übrigens nicht davon bekommen, dass sie weiß ist und deckt - oh nein! Sie muss erst noch ENTDECKEN, DASS SIE WEIß IST!
Mischt man Deckweiß mit Deckfarben, so sieht man zunächst keinen großen Unterschied. Aber beim trocknen! Da wird dann die angemischte Farbe um die präzise Nuance von 2 Luchshaarfarbstärken heller!
Was braucht man also bei Deckweiß?
Geduld, Muße und Fingerspitzengefühl!
Was lässt sich in der Nordkurve während des entscheidenden Pokalspiels leichter finden, als in einer ganz normalen Klasse voller präpubertierenden Hormonhaufen? Richtig.
GEDULD, MUßE UND FINGERSPITZENGEFÜHL!!!
Fazit: Man KANN mit Deckfarbe anständige Bilder erarbeiten, die Farbe ist aber empfindlicher als Aquarell, Gouache, Acryl oder was sonst noch alles in Form von bunter Pampe in Kunstläden steht.
Warum nimmt man die schwierigste Farbe von allen und setzt ausschließlich diese für die künstlerische Entfaltung von ungeduldigen, unerfahrenen Kindern ein?
Ist das was pädagogisches?
Erst wenn man die Unbill der Deckfarben überwunden hat, ist man bereit ein verkopfter Künstler TM zu werden?
Das ist also “Der Ernst des Lebens”, von dem alle immer sprechen. Na gut.
Und außerdem wollen wir ja nicht das Raumzeitkontinuum gefährden.
An meiner Schule war das genau umgekehrt, die Leute haben größtenteils Musik abgewählt und lieber Kunst gemacht. Das lag nicht daran, das der Kunstunterricht so gut war, sondern daran, dass der Musikunterricht so schlecht war, denn die Musiklehrer haben den ausnahmslos als Rekrutierungstool für Schulchor, Schulorchester und andere öffentlichkeitswirksame Prestigeprojekte benutzt, statt vernünftigen Unterricht für Alle zu machen.
Da kann ich nur zustimmen. Das System an sich ist kaputt und produziert deshalb bevorzugt kaputte Ergebnisse.
Werbung für Öffentlichkeitswirksame Prestigeprojekte wäre nicht so nervig, wenn es auch eine kulturelle Auswahl gegeben hätte, aber Chor und Orchester sind halt nicht gerade Vorzeigeaktivitäten unter Jugendlichen. Kurzgesagt, die Instrumente und Genre sind zu ernst, im legalen Verständnis (das ist keine Verteidigung der klassistischen Aufteilung in E- und U-Musik).
Wenn die Werbung unter Anderem daraus besteht, dass Leute, die an den Prestigeprojekten teilnehmen, prinzipiell besser benotet werden, ist das schon nervig. Insbesondere, wenn man sich nicht mal bemüht, den Anderen irgendwas beizubringen und der Unterricht ständig ausfällt, weil die Lehrer für Auftritte mit dem Prestigeprojekt irgendwo in der Weltgeschichte herumtouren.