"Sozialer Sprengstoff": Warum Beamtenpensionen unangetastet bleiben - eviltoast

Die Ampelregierung hat sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, die Alterssicherung zu modernisieren. Doch bei den Beamtenpensionen ist von Reformen keine Rede.

Für die einen ist es ein Skandal, für andere eine Neiddebatte. Keine Regierung - weder im Bund noch in den Ländern - hat sich je getraut, den Status ihrer Beamten zu hinterfragen. Und auch die Ampel-Koalition schaut nur auf die Rente, verliert aber keinen Gedanken an die Beamtenpensionen. Man ahnt, warum. Denn die Pensionen von Beamten sind deutlich höher als die Renten von Angestellten.

Nach 45 Arbeitsjahren bekommt ein Angestellter 48 Prozent des Einkommens. Legt man da noch die Betriebsrente von 4,6 Prozent drauf, liegt die Durchschnittsrente bei 1.636 Euro. Frauen kriegen sogar noch weniger. Ein Beamter bekommt dagegen bereits nach 40 Dienstjahren bis zu 71,75 Prozent dessen, was er in den letzten zwei Jahren verdient hat. Die Durchschnittspension liegt bei 3.227 Euro.

Linke sieht “sozialen Sprengstoff”

Der Geschäftsführer des paritätischen Wohlfahrtsverbandes Ulrich Schneider redet von einer Drei-Klassen-Gesellschaft:

Wir haben ganz oben die Beamten und die Politiker mit außerordentlich guten Versorgungsbezügen. Dann haben wir die Leute in der gesetzlichen Krankenversicherung, mit der es seit Jahren bergab geht. Und wir dürfen die Grundsicherungsbezieher nicht vergessen, also die, die praktisch von Sozialhilfe leben müssen.
- Ulrich Schneider, Geschäftsführer des paritätischen Wohlfahrtsverbandes

Auch die These, dass Beamte im Berufsleben weniger verdienen würden als Angestellte, trifft längst nicht mehr zu. Und die Staatsdiener erwerben bereits nach fünf Jahren eine Mindestpension in Höhe von 1.860 Euro, das ist mehr als die Durchschnittsrenten nach 45 Jahren. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch ist empört: “Das ist nicht nur ungerecht, das ist sozialer Sprengstoff, wenn man sehr schnell hohe Ansprüche erwirbt. Das trifft auf Abgeordnete zu, aber auch auf Beamte.”

Deshalb muss es Ziel sein, dass alle in eine Kasse einzahlen.
- Dietmar Bartsch, Die Linke

[…]

Derweil werden in den Ländern Fakten geschaffen. So kann die Berliner Landesregierung nicht der Versuchung widerstehen, mit Verbeamtungen schneller an Lehrpersonal zu kommen. Hohe Pensionen als Lockmittel - deutlicher kann Politik nicht zum Ausdruck bringen, welchen (geringen) Wert sie der Rente beimisst.

Eine Alterssicherung, in die alle einzahlen, auch Bundestagsabgeordnete, könnte sozialen Sprengstoff entschärfen. Politisch allerdings ist sie in Deutschland nicht absehbar.

  • fxr0d@feddit.de
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    1 year ago

    Im Ingenieurbereich und IT kenne ich einige Zahlen, da ist der Verdienst auch nach Berücksichtigung der deutlich geringeren Abzüge, also netto, oft nicht so richtig konkurrenzfähig. Da würde deine These also passen, allerdings sind umlagefinanzierte Systeme aktuell generelk totgeweiht, und Steuern einnehmen und als Pension auszahlen ist ein umlagefinanziertes System. Die Gesellschaft steht hier vor der Wahl, dass entweder die Aktiven und die Infrastruktur vor die Hunde gehen um die Pensionen auf dem gewohnten Niveau zu halten (siehe Griechenland vor längerer Zeit) oder die Pensionen zu kürzen (siehe Griechenland später). Längerfristig wäre rücklagefinanziert halt besser.

    Auf der anderen Seite sind die Gehälter und Pensionen von Lehrern, auch Grundschullehrern, mittlerweile im Vergleich ziemlich fürstlich, auch da kenne ich einige Zahlen. Finde ich richtig dass die gut bezahlt werden, sie haben sehr hohe Verantwortung und am Geld soll es nicht scheitern, aber als Ingenieur komme ich weder angestellt noch selbstständig in solche Regionen.

    Egal wie man es dreht, das Problem ist spätestens ungefähr in den 90er- und 00erjahren entstanden. Die damals verantwortlichen Politiker und die Wähler haben wider besseren Wissens entschieden, dass sie diese Probleme ignorieren und ungelöst lassen, sowohl bei Renten als auch Pensionen. Angemessen fände ich, allen die jetzt in Ruhestand gehenden, vor allem denen mit hohem Einkommen, die Bezüge kräftig zu kürzen. Sie haben die Modernisierung der Versorgungssysteme verhindert und sich selbst zu niedrige Abgaben zugemutet, um in den alten Systemen genug Geld zu bunkern.

    Für die Zukunft dann was (zu nennenswertem Anteil) rücklagefinanziertes, gerne auch mit steuerbegünstigten Depots für selbst organisierte Vorsorge.

    Leider wird beides nicht passieren, weil es genug dumme, ungebildete und kurzsichtige Menschen gibt, die jede relevante Bewegung in diese Richtung verhindern werden. Unsere Form der Demokratie ist für die Lösung solcher solcher Probleme besonders bei stark verzerrter Demographie ungeeignet.

    Meine Prognose, die auch auf den Höhen der Zahlungsflüsse fußt: Das fährt ungebremst vor die Wand. So lange die alten Wähler die Mehrheit haben, also noch etwa 15 Jahre, wird der Staat gnadenlos ausgelutscht, im Zweifelsfall bis wir im Vergleich auf Schwellenlandniveau degenerieren. Unterwegs dahin wird die Versorgung der Alten trotzdem Lücken bekommen, die ziemlich unmenschlich sind, guck mal nach kleineren Städten in Japan. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit kollabiert in weniger als zehn Jahren die Staatsform, siehe aktuelle Umfragen. Was dann kommt könnte ein Grund zum Auswandern sein, aber auch das mildere Szenario könnte große Anreize zum Auswandern für arbeitsfähige Menschen erzeugen, das läuft dann wie aktuell auf dem Balkan.

    Persönliche Strategie: Geld soweit vorhanden möglichst mobil in Wertpapiere mit Anlageschwerpunkt außerhalb EU anlegen, Ausgaben reduzieren durch Eigenleistungen, Reparaturen, Gebrauchtmarkt, dafür bei Bedarf weniger Erwerbsarbeit, denn die lohnt sich meist deutlich weniger als die Einsparung von Fremdleistungen. Generell nicht zu viel verdienen, ggf. vorhandene Zeit besser in anerkannte Weiterbildung stecken, die persönliche Aufwertung ist international nutzbar und abgabenfrei. Viel Zeit sinnstiftend mit eventuellen Kindern verbringen, denn deren Versorgung wird außerhalb der Familie auch immer mehr auf Aufbewahrung hinauslaufen, während sie eigentlich dringend alle möglichen Fähigkeiten brauchen, die man auch oder besser in der Familie vermitteln kann. Ggf. benötigte Fremdsprachen lernen, Kontakte in mögliche Auswanderungsziele aufbauen, und bei ausreichendem Attraktivitätsgefälle oder Zerlegung von Staat / Gesellschaft in D halt auswandern. Wenn Deutschland es schafft, sich bis 2040 irgendwie durchzuwurschteln ist der Spuk vorbei und die Lebensverhältnisse werden sich vermutlich zügig verbessern. Welchen Weg das nimmt können wir vermutlich nach der nächsteb Bundestagswahl erahnen.

    • Sodis@feddit.de
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      1 year ago

      Wenn in deiner Prognose die EU fällt und die USA in der Richtung bekanntlich ja schon einen Vorsprung hat, in welche Märkte investierst du? Und was sind die möglichen Auswanderungsziele?

      • fxr0d@feddit.de
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        1 year ago

        Wir haben von einer Basis global gewichtet nach Kapitalisierung aus Schwerpunkte nach Branchen oder Regionen gesetzt: Tech und IT laufen gut, zwischen +50 und +100 % in den letzten 5 Jahren, aber bis hierhin also ziemlich US-lastig. Muss man wachsam sein, aber wirtschaftlich läufts da insgesamt nicht so schlecht. Industrie läuft auch recht beständig aufwärts, der Sektor läuft nur bei uns in Deutschland nicht. Wobei die weltweiten AGs ihre Gewinne ja auch teilweise hier konsolidieren. Rohstoffunternehmen kommen wieder denke ich, wenn es weltweit wieder aufwärts geht. Und nach Regionen: Emerging Asia ohne Japan und China dümpelt schon ne ganze Weile, zieht aber vernutlich ordentlich an weil die von den Produktionsverlagerungen aus China raus profitieren. Afrika hat auch viel Potenzial, günstige Demographie und große Technologieoffenheit, außerdem haben die vielfach nicht das Problem, alte Infrastruktur auf neue Technologien umstellen zu müssen sondern steigen direkt auf aktuellem Niveau ein. Einige afrikanische Länder haben sich wirtschaftlich gut entwickelt. Rohstoffe gibts auch ordentlich. Wenn es da friedlicher wird wird es ordentlich voran gehen.

        Mit diesen Überlegungen haben die besten Depots in der Familie 80 % in den letzten 5 Jahren gemacht, das schlechteste 30. Meine Altersvorsorge liegt dazwischen, glaube so bei 50. Ist für die holprige Phase die das war ganz gut denke ich und übertrifft die DRV, Riester- und Rürupprodukte sehr deutlich. Im Gegensatz zur Beamtenpension (da kommen wir thematisch ja her) erzeuge ich mir so eine beträchtliche Rente, für deren Auszahlungen niemand Beiträge oder Steuern zahlen muss und deren Einzahlungen ich sogar noch aus meinem versteuerten Netto aufbringe. Also das genaue Gegenteil zur Beamtenpension. Ich sorge selbst vor, zahle dabei noch für andere und bekomme am Ende für diesen Teil meineer Rente von niemandem was. Bin Selbstständig, meine vorher erworbenen Rentenansprüche bringen mich nicht weit. Beamte legen dagegen gar nichts selbst an, zahlen auch für niemand sonst mit, kriegen viel mehr als die DRV-Kunden, und für ihre Pensionen müssen alle anderen kräftig blechen, die überwiegend selbst sowohl weniger Gehalt als auch viel weniger Rente bekommen . Also ja, ganz klar sozialer Sprengstoff.

        Auswanderungsziele sind schwierig, viele Länder sind mit Kindern aktuell zumindest nicht besser als Deutschland, auch wenn sie es für Kinderlose sind. Schweiz z. B., da ist ein Teil meiner Verwandtschaft vor über 20 Jahren hin. Sie sind da zufrieden und leben gut, mich würde die ausgeprägte Deutschenfeindlichkeit und das etwas rückständige Schulwesen da stören. In den Städten ist der Lebensstandard wohnkostenbedingt dort auch nicht mehr toll. Kanada (da lebt ein Kindergartenfreund von mir seit längerem) ist ziemlich am absteigen, die Kanadier sind zunehmend unzufrieden. Die Wohnraumprobleme sind dort offenbar deutlich größer als hier, die Gehälter für jüngere Leute ziemlich unfair. Neuseeland hat sich in der Coronazeit mit der extrem kinder- und familienfeindlichen 0-Covid-Politik für mich völlig ins Abseits manövriert. Wer damit kein Problem hat, mag dort gut leben. Wenn man glaubt, dass die EU ne Zukunft hat, wären auch Norwegen und mittlerweile mit Abstrichen Schweden ganz gut. Familienfreundlich ist Schweden, hat aber auch einiges an Problemen. Ansonsten scheint es da nett zu sein, war paarmal da und kann etwas holpriges Schwedisch. Hat also alles so seine Nachteile. Und was bleibt? Island möglicherweise, das sehen wir uns demnächst näher an. Kulturell ganz angenehm, möchte nicht in die EU, guter Wohlstand, es gibt Industrie und reichlich Energie, Bildungssystem soll in Ordnung sein.

        Ich hoffe, dass wir so lange die Kinder klein sind noch hier bleiben können und ihnen nicht so einen Bruch zumuten müssen. Besser wäre, das passiert erst wenn die Kinder groß sind und selbst irgendwo anders ihre Zukunft suchen. Dann könnten wir einfach hinterher ziehen und auf Enkel warten. :)